Mir tut momentan so einiges weh. Die Piratenpartei trägt einen Richtungsstreit aus, der offensichtlich lange gärte und sich nun entlädt. Und das nur wenige Monate vor der für uns so wichtigen Europawahl. Der Wahl mit der 2009 das hier alles wirklich begann. Der Wahl, die für eine transnationale Bewegung wie geschaffen ist und die ein Stück weit auch die Antwort auf die Frage ist, warum wir den ganzen Scheiß eigentlich so machen.
Leider ist die aktuelle Diskussion und das Verhalten vieler Menschen in der Partei gerade nur schwer nach außen vermittelbar. Mich schmerzt es zu sehen, wie gegen unsere Europakandidatin, die seit Jahren erfolgreich Kommunalpolitik betreibt, Tausende von Menschen auf übelste Weise hetzen und dabei auf ihrem Rücken ein Richtungsstreit ausgetragen wird, für den sie selbst kaum mehr als ein Zündfunke war.
Mir tut es weh, dass Cornelia Otto die Partei verlassen hat. Es tut mir auch weh, dass Sebastian Nerz die Partei verlassen hat. Nicht nur dass ich ihn persönlich schätze, er war offensichtlich auch jemand, an dem sich Parteimitglieder, die einen anderen Blick auf die Partei haben als ich, eine Weile lang orientieren konnten und fehlt daher nun. Gleiches gilt für weitere Parteimitglieder. Mir tut dies weh, aber ich versuche meinen Schmerz herunterzuschlucken, einen Schritt zurückzutreten und zu schauen, woher die Intensität stammt, mit der nun momentan eine Polarisierung stattfindet.
Was hat der Femen-Antifa-Antideutschen-Dresden-Mashup mit der Links-Rechts-Debatte in der Piratenpartei zu tun? Inhaltlich eigentlich nicht viel. Und doch gibt es eine Parallele. Es geht um Framing – also die Frage, in welchem Kontext eine Sache wahrgenommen wird, das Potential, die Grundlagen und die Ausrichtung einer Debatte zu steuern, zu kontrollieren und zu verändern. (Wegen mehrerer Nachfragen: Statt Framing lässt sich auch Deutungshoheit, Deutungsrahmen oder Agenda-Setting sagen.) Framing ist vieles. Das Framing ergibt sich aus dem Umständen – es kann aber auch maßgeblich von Einzelnen beeinflusst werden. Von einer überzeugenden, eloquenten Persönlichkeit, die durch inhaltlich gute Beiträge eine Debatte so prägt, dass man sich am Ende auf ihre Position einigt. Über einen sehr dominanten Redner, der lauter und öfter redet als die anderen und die eigentlich guten und fundierten Beiträge anderer marginalisiert. Bis hin zu einem Medium, nach dessen Titelblatt sich andere Medien und so auch ganze gesellschaftliche Diskurse ausrichten. Ich werde nun zwei Perspektiven erläutern, die es in der aktuellen Debatte gibt und die beide mit Framing zu tun haben. Vielleicht kann die jeweils andere das dann besser nachvollziehen.
Die eine Seite: Eigentlich sind sich doch alle einig, dass der 2. Weltkrieg eine Ungerheuerlichkeit war, durch Nazi-Deutschland verursacht, sich niemals wiederholen darf. Und über den Tod, die Verstümmelung und Traumatisierung jedes Menschen, gleich welcher Religion, Herkunft oder ideologischen Verblendung kann man natürlich trauern. Was ist also gerade das Problem, wo sich sich doch scheinbar in diesem Punkt alle einig sind? Das Problem ist folgendes: Bald nach dem von Deutschland entscheidend mitverursachten 1. Weltkrieg setzten in Deutschland Framing-Versuche ein, die die Schuld den kriegstreibenden Alliierten (Entente) zuschieben sollten. Dieses erfolgreiche Reframing schaffte die Grundlage für eine Politik, die den Ausbruch des 2. Weltkriegs und die Unterstützung der deutschen Bevölkerung für die Konsequenzen erst ermöglichte. So war es nur logisch, dass – auch wenn die Ausgangslage eine andere war – schon seit kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieg von reaktionären Kräften im Rahmen der ihnen von der Gesellschaft zugestandenen Möglichkeiten versucht wurde, ein Reframing zu betreiben. Da dieser Rahmen eng gesteckt war, versuchten sie es darüber, den Fokus von der deutschen Kriegsschuld auf die deutschen Opfer zu verschieben. Siehe dazu auch den Blogpost von Kpeterl und seinen Podcast mit Andi Popp. In diesem Kontext sind die Naziaufmärsche am 13.2. in Dresden zu verstehen. Antifaschisten versuchen dieses Reframing zu verhindern. Sie lehnen daher die Debatte über deutsche Kriegsopfer ab und versuchen zugleich, die Inszenierung der reaktionären Kräfte als Opfer durch Blockaden und Proteste zu marginalisieren, damit deren Framing nicht erfolgreich ist.
Sich nicht mit den deutschen Opfern zu beschäftigen, ist in diesem Kontext also nicht als Verhöhnung oder Ignoranz zu sehen, sondern primär als Entscheidung, sich nicht auf einen von Neonazis inszenierten Versuch einzulassen, Kriegsopfer für ihre revisionistischen Zwecke zu instrumentalisieren und ihren Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Wer dieses Gegenframing ganz auf die Spitze treiben will, lehnt nicht nur die Debatte über deutsche Kriegsopfer ab, sondern bedankt sich sogar explizit bei den Alliierten und drückt die Ablehnung des Frames sogar plakativ aus. Das kann man stillos finden, sollte aber nicht entkontextualisiert gesehen werden. Der Ausgangspunkt ist und bleibt der Versuch von Neonazis, die Geschichte umzuschreiben und dafür auch die Toten zu missbrauchen. Missfallen an solchen plakativen Aktion ist natürlich nachvollziehbar, insbesondere wenn den Kritisierenden der Kontext nicht bewusst ist. Wer dann allerdings eine längliche Debatte anfängt über Kriegsverbrechen der Alliierten, Anzahl der in Dresden durch Bombardements getötete Menschen und ähnliches, wofür es im Detail immer korrekte Argumente oder Gründe geben kann, erreicht damit auch die entsprechende Aufmerksamkeit. In zahlreichen überregionalen Medien wird über Dresden berichtet und darüber, dass es in einer bedeutenden, nicht als Rechts geächteten und dadurch marginalisierten deutschen Partei eine Debatte über deutsche Kriegsopfer gibt. Damit haben die Neonazis durch den schlichten Hinweis auf die Identität zweier demonstrierender Frauen mehr im Sinne der Neonazis erreicht, als sie in vielen Jahren durch den Aufmarsch tausender Rechtsextremer aus ganz Europa erreichen konnten. Entsprechend sauer sind daher aktuell diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren erfolgreich gegen dieses Framing gewehrt hatten!
Die andere Seite fühlt sich – vor allem auch durch die vielen Bezüge, die das Bild der zwei Frauen zu Femen, Antifa und Antideutschen herstellt – gleich vielfach provoziert. Sie haben das Gefühl, die Dinge die sie gemäß ihres Selbstbildes an der Partei stören, seien auf diesem Bild vereint und verstehen es als Aufbruchsignal oder als Gelegenheit zum Widerstand gegen eine aus ihrer Sicht kleine aber laute Minderheit. Dabei ist es natürlich in jeder Gruppe und gerade in einer Partei wichtig, dass die Mitglieder die Möglichkeit haben, die Ausrichtung der Partei mitzugestalten und ihr Außenbild mitzeichnen und damit ihr Frame bestimmen kann. Ein Beispiel: Wer möchte, dass die Partei von der Öffentlichkeit weniger stark als sexistische Männerpartei gesehen wird, kann mit Bildern, Konzepten und Berichten gegenhalten und zu versuchen die Perspektive auf die Partei zu prägen, dass dort besonders intensiv Themen der Geschlechtergerechtigkeit verhandelt werden. Das gleiche gilt auch für andere Themen wie Kampf gegen Rechtsextremismus, Stadtentwicklung usw. Wenn diese Themen parlamentarisch, auf Parteitagen und im Wahlkampf Raum einnehmen, dann prägt das auch das Frame, in dem die Partei wahrgenommen wird. Noch stärker aber wird dadurch bei vielen das Selbstbild geprägt. Die Piraten mögen in der Öffentlichkeit immer noch als Internet-Nerdpartei wahrgenommen werden, für viele innerhalb der Partei drängt sich durch die in der Partei geführten Debatten der Eindruck auf, die Partei würde ganz anders wahrgenommen.
Das verstärkt sich natürlich noch durch Parteimitglieder mit großer Reichweite, die diese Themen auf Sozialen Medien diskutieren, teilweise sicherlich auch in überzogener Weise, Das kann Frust schaffen. Besonders bei denjenigen, bei denen das Selbstbild der Partei mittlerweile schon viel stärker von diesen Themen geprägt ist, als im Durchschnitt der Bevölkerung, im öffentlichen Diskurs oder in der Medienlandschaft. Ein Spruch und erst recht ein bestimmtes Bild kann von dem Verfasser als harmlos wahrgenommen werden, da sich die Person ihrer gesellschaftlich gesehen sehr geringen Reichweite sehr bewusst ist. Oder als sehr provozierend, wenn der Empfänger das anders wahrnimmt bzw. framet. In diesem Kontext hat die Antifa-Fahne auf dem Bochumer Parteitag für einige Mitgliedern als Trigger gewirkt, der bei ihnen Reaktionen freigesetzt hat, die man kontextbefreit kaum nachvollziehen kann. Und so wirkt es für viele Mitglieder, als würden sie mit ansehen, wie eine Partei, die sich rund um Netzthemen wie Netzneutralität, Immaterialgüterrechte, Datenschutz und Informationsfreiheit gegründet hat, in der Öffentlichkeit plötzlich für ganz andere inhaltliche Themen steht oder sogar in einem konkreten Kontext mit locker organisierten Gruppen, Symbolen und Parolen gerückt wurd, die wiederum von jedem unterschiedlich wahrgenommen werden. Ich weiß, das oben skizzierte entspricht nicht unbedingt einer Lösung, sondern versucht vor allem Dinge in Perspektive(n) zu setzen, die bisher zu sehr auseinander gedriftet sind.
Wie könnte eine Lösung also aussehen? Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass wir lernen mit Frames richtig umzugehen. Nur weil wir in bestimmten Medien bestimmte Themen oder Fragestellung besonders stark wahrnehmen, heißt das nicht, dass das überall so ist. Ein Robert Stein, der die NRW-Fraktion als Marxisten bezeichnet, führt noch lange nicht dazu, dass irgendwer im Rest der Gesellschaft die Piraten als links versteht, trägt aber vor allem zur Innenwahrnehmung bei. Im Gegenteil schreiben alle Landtagsfraktionen, besonders die Berliner, fleißig Anträge und Anfragen, die sich mit Überwachung und Grundrechtsschutz beschäftigen, und wir setzen diese auch überdurchschnittlich häufig nach als Priorität ganz vorne auf die Tagesordnung von parlamentarischen Sitzungen. Wir müssen als Partei lernen, unsere eigenen Themen zu setzen und unsere eigenen Schwerpunkte. Wer darauf Einfluss nehmen will, soll dies über Parteitage, Lime Survey, LiquidFeedback oder BEO machen. Wer der Meinung ist, dass diese Entscheidungsstrukturen nicht ausreichen, sollte Alternativen entwerfen, erproben, vorschlagen. Ideen dazu gibt es genug. Vorstandsbeschlüsse und Twitterdiskussionen sind dazu meiner Ansicht nach ungeeignet. Ich bin gerne ansprechbar, falls ihr Vorschläge habt. Was aber durchaus befriedbar wäre: Das Antifa-Missverständnis. Aktuell scheinen ja viele davon auszugehen, dass es eine Antifa-Gruppe gibt, welche die Demokratie ablehnt. Diese “Rechtsstaat-Schmechtsstaat”-Rhetorik befeuert das ganze auch beständig, führt aber nicht wirklich weiter. Auf der anderen Seite fühlen Piraten sich diffamiert, weil von einigen Linken statt erklärender Texte ein “Ihr stellt euch auf die Seiten von” / “Ihr argumentiert wie” zurück kommt. Insofern wäre es natürlich wichtig, Begriffe gemeinsam zu klären, bevor man sie benutzt oder über sie abstimmt. (So wie das auf der Open Mind oder auch bei den JuPis gemacht wird. ) Wer durch Debatten in Sozialen Medien verunsichert ist, mag vielleicht mal die Perspektive erweitern und sich mehr Feedback von außen holen. Ganz wichtig ist aber: Niemand darf einen anderen Menschen zwingen, den gleichen Fokus wie er oder sie selbst zu setzen.
—Update:
Ich verlinke einfach mal willkürlich ein paar Texte zum gleichen Thema:
– Veronique “Niqui” Schmitz: Schlaflos auf Twitter
– Interview mit der Jungle Word: Piratin Anne Helm bestätigt Bomber-Harris-Aktion
und
– Florian “Fardizzle” Deissenrieder: Lasst uns streiten!
– Carta: Bombergate, Antifa, Orgastreik – Was ist bei den Piraten los?
– Daniel Schwerd: #PiratLinksLiberal – eine Positionierung
– InsideX: Wir brauchen eine Wertedebatte
– Lenz Jacobsen bei Zeit Online: Eine Partei stirbt
– Cicero-Blog: Göttinger Demokratie-Forschung: Die Piraten: Eine Partei zerbröselt
Ich kann große Strecken des Gedankengangs nachvollziehen, aber eine Sache nicht
> Entsprechend sauer sind daher aktuell diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren erfolgreich gegen dieses Framing gewehrt hatten!
Ich verstehe das nicht ganz und benötige weitere Erklärungen.
Ich habe bisher verstanden
1) Nazis wollen Geschichte umframen
2) Antifa ist dagegen und drückt die “Ablehnung des Frames sogar plakativ aus” Plakat sogar sehr wörtlich, als gestelltes Foto mit Bildaufbau etc
3) Daraufhin entspinnt sich eine Debatte, in der sich Menschen, die sich bisher nicht wirklich viel mit der Thematik auseinandergesetzt haben, Gedanken machen und sich häufig sehr emotional äußern. Das Thema wird jetzt also breiter diskutiert als vorher. (“In zahlreichen überregionalen Medien wird über Dresden berichtet und darüber, dass es … eine Debatte über deutsche Kriegsopfer gibt.”)
Bis hierhin kann ich folgen. Dann kommt
4) Entsprechend sauer sind daher aktuell diejenigen, die sich in den vergangenen Jahren erfolgreich gegen dieses Framing gewehrt hatten!
Jetzt gibt es eine breitere Debatte, aber Menschen sind darüber jetzt sauer? Das verstehe ich nicht. Was wenn nicht eine breitere Aufmerksamkeit war denn dann das Ziel der plakativen Aktion?
Für Erläuterungen wäre ich dankbar.
So habe nun doch noch Zeit gefunden für einen Kommentar. Ich wäre ebenso wie Sebastian für Erläuterungen dankbar.
Dabei interessiert mich, auf wen diese “Strategie” zielt? Auf eine fragmentierte Öffentlichkeit, von der ihr euch erhofft, dass sie ein ausreichendes Wählerpotenzial darstellt? Wie steht diese Strategie in Verbindung mit den langfristigen (Wahl-) zielen der (Berliner) Piraten?
Die Aussage “Aktuell scheinen ja viele davon auszugehen, dass es eine Antifa-Gruppe gibt, welche die Demokratie ablehnt.” ist rätselhaft, denn die vielen Tweets, die diese Befürchtung auslösen, führen dazu, dass Piraten im gesamten Bundesgebiet Vertrauen verlieren und sich fragen, ob es (in Zukunft) überhaupt irgendwelche Grenzen bei (angeblich) strategisch-angelegten Aktionen geben wird.
Hier scheint also nichts, sondern hier sticht etwas hervor (zumindet rhetorisch; was aber für die Außendarstellung entscheidend ist)! Ich sehe bisher jedenfalls wenige, die Grenzen ziehen und Gewalt ausschließen oder definieren, was unter Gewalt zu verstehen ist. Eine Grenzziehung ist aus meiner Sicht nötig, denn nur als erfolgreiche Partei mit Wahlerfolgen haben die Piraten im Gegensatz zu Aktivisten und NGO`s zusätzliche Möglichkeiten um ihre Kernthemen und den Kampf gegen Rechts langsam voranzubringen.
Aktuelles Beispiel: Antwort auf NRW-Anfrage zur Reform des Definitionssystems „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ http://bit.ly/1bDr80P
Diese Liste zeigt erstmal wie wichtig eine antifaschistische Grundhaltung ist. Und dann sollten wir darüber streiten, mit welchen Mitteln wir als Piratenpartei gegen solche Straftaten und Morde vorgehen. Eine sinnvolle Rolle der Piraten ist es IMHO den Staat und die Behörden zu kontrollieren, damit solche Straftaten und Morde aufgeklärt und zukünftig verhindert werden. Hier muss man auf Henkel und andere unterqualifizierte Innenpolitiker insgesamt mehr Druck ausüben. Dafür muss man aber die Bevölkerung und Öffentlichkeit überzeugen, dass hier etwas schief läuft. Dabei sind Hysterie und Aktionen, die sich selbst radikalen Mitteln verschreiben, ein Rückschritt und Problem. Überzeugungsarbeit durch Sachaufklärung und kreative Aktionen helfen dabei. Klingt zwar langweilig, ist auf Dauer aber sicher erfolgreicher als dieser innerparteiliche Streit.
Daher noch einmal: Weil die Piraten bislang keine Grenzen im Kampf gegen den Faschismus ziehen, wächst das Misstrauen in Partei und zunehmend auch bei den Wählern. Rechtfertigungen wie die Trennung von Parteimitglied (mit Amt) und privatem Aktivismus halte ich insbesondere unter dem post-privacy-diktum für naiv. Ich mag deine und viele Initiativen in Berlin und diesen Versuch mäßigend (“Dinge in Perspektive(n) zu setzen, die bisher zu sehr auseinander gedriftet sind.”) auf die Debatte einzuwirken. Aber Du versuchst aus meiner Sicht mit der Wasserpistole einen Brand zu löschen. Die Idee eines Frames durch die Erklärung von Framing ist originell, aber bestimmt nicht erfolgreich.
Nach Entmann gibt es mehrere Kriterien für Framing (ich glaube, dass er insgesamt vier nennt). Ein Kriterium ist “Problemlösung”. Der von dir als “Gegen-Framing” bezeichnete Versuch darf demnach nicht rein dekonstruktiv sein. Was Du beschreibst, wäre nach der Framing-Definition daher nur die abgespeckte Variante eines Kampfes um Deutungshoheit. Das Framing selbst ist dabei natürlich nicht die Problemlösung. Eine “echte” Problemlösung wurde meines Wissens nach nicht angeboten (von einer Erklärung oder einer Vernetzung dieser Aktion vor Ort oder einer Einbettung in eine parlamentarische Initiative habe ich bisher jedenfalls nichts gehört). Die Distanzierung von BuVo, Femen, usw. beweist sogar das Gegenteil.
Zudem frage ich mich, um wessen Framing-Strategie es sich überhaupt handelt? Die der Piratenpartei Berlin, eine in Dresden auserkorene oder um deine persönliche Strategie? Aus der Sicht eines Professionals (“Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass wir lernen mit Frames richtig umzugehen.”) müsste ich zudem wohl fragen: Wurde die Framing-Kampagne denn bereits evaluiert und gehören die Tweets der letzen Tage auch dazu? Welche Strategie und welchen Sinn haben die polemischen Tweets (Eichmann, Deutschland abschaffen, usw.)? Sie haben weder die Aufmerksamkeit von den Betroffenen, noch von der Aktion oder der Grundsatzdebatte oder vom Management des BuVos abgelenkt. Nur der Angriff auf den #orgastreik war teilweise erfolgreich. Die anderen Themen stehen nach wie vor 1:1 im Fokus. Und das in einer Woche mit Maidan und zig anderen wichtigen Themen! Während Du gemäßigt auf Kritiker einwirken möchtest, stehen Leute aus deinem Umfeld direkt neben Dir und schütten weiter Öl ins Feuer. Da hilft eine Wasserpistole dann natürlich nicht mehr.
Trotzdem: danke für das vorsichtige Anschlagen gemäßigter Töne. Bleib am Ball und rede auch mal mit den anderen Jungs und Mädels! Ich wünsche einen guten Wochenstart, aber keinen erfolgreichen Spin -:)
Beste Grüße
@ohrgefluester
PS: Das Blogpost von Kpeterl habe ich gelesen. Ist ein rhetorisch gelungener Versuch die Aktion in ein positives Licht zu stellen, beruht aber auf einer einseitigen Fakten- und Zitatauswahl.
Danke für diesen inhatlichen Beitrag. Eine Sache kann ich nicht nachvollziehen: Warum sollte man sich von Nazis vorschreiben lassen, welche Positionen man vertritt?
Nehmen wir an, die Nazis würden Internetzensur ablehnen und sie würden das machen, um ihre Holocaustleugnungen ungestört weiterverbreiten zu können, mehr potenzielle Wähler damit zu erreichen und in Parlamente einzuziehen. Nehmen wir an, ich bin ebenfalls gegen Internetzensur. Nicht wegen dem Grund, aus dem die Nazis dagegen sind, sondern weil ich es generell für keine gute Idee halte, eine Zensurinfrastruktur aufzubauen und weil wir ja alle wissen, dass das schnell für Meinungszensur missbraucht wird.
Soll ich mich jetzt wegen der Nazis davon abhalten lassen, die Position zu vertreten, die ich für richtig halte, nur damit ich mich von den Nazis abgrenze und ihrer Strategie nicht in die Hände spiele? Ist es nicht viel besser, wenn ich einfach die Position vertrete, die ich selbst für richtig halte? Anstatt mich an den von den Nazis vorgegebenen Frames zu orientieren?
K, verstanden. Alles gut erklärt, nur nicht warum wir dieses intransparente Framesetting und gezielte Lenkung eines Selbstbildes, die Attitüde und “gefühlten” Diffamierungen akzeptieren sollten, statt Denjenigen zu raten damit auf zu hören oder zumindest ihr Handeln zu reflektieren und es nachvollziehbar zu gestalten und auf Argumente ein zu gehen. Hier wurde richtig ein Kommunikationsproblem identifiziert, an dem aber nicht nur die Empfängerseite arbeiten sollte.
Nein. Zu Spät. Ihr habt das alles erfolgreich torpediert.
2011 habt ihr meine Zustimmung noch bekommen. In diesem Mai könnt ihr damit nicht rechnen. Ich werde auch in meiner Umgebung darauf hinwirken, dass sich gegen euch entschieden wird.
Ihr bekommt eine Stimme wieder nachdem ihr euch von dieser durchgeknallten feministischen Sekte getrennt habt.
Its not about framing its about a self constructed perception in a low level channel network.
Gut gemeint ist nicht immer dasselbe wie gut gemacht. In vielen Fällen ist es das exakte Gegenteil.
Ich gehe bislang davon aus, dass diese Dresden-Aktion gut gemeint war – ich habe bislang keine Indizien für anderes. Ich halte sie jedoch (und noch viel mehr den anschließenden Umgang damit) für extrem schlecht gemacht:
1.) Sie wurde von der Öffentlichkeit nicht als “Gegenframing” verstanden, sondern als Provokation und/oder Verhöhnung von Kriegsopfern.
Und wir sind hier nicht im Kontext einer Diskussion unter Fachleuten – wenn z.B. Kardiologen untereinander diskutieren und von Außenstehenden nicht verstanden werden, dann mag die Aufforderung legitim sein, sich erst mal so lange mit der Materie zu beschäftigen, bis es verständlich ist. Wir sind hier in der Politik. In einer Demokratie. Hier haben Politiker sich so verbal und auch nonverbal zu äußern, dass sie von mindestens 90% der Wahlberechtigten verstanden werden.
2.) Wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Das ist normal, entscheidend ist der Umgang damit. Vor der AGH-Wahl 2011 passierte Andreas der Fehler mit den “vielen Millionen” – wir standen dazu, haben mit der App darauf reagiert, wurden für diese neue Form der “politischen Fehlerbehandlung” gemocht.
Eine passende Antwort auf diese Aktion wäre entweder ein sofortigen, klares “Ich war’s nicht” oder ein sofortiges, klares “Ja, sorry, war nicht die beste Idee, ich habe das wie folgt gemeint, tut mir leid, dass ich da so missverstanden wurde”. Ein “Ja, ich war das, und ich halte das aus den folgenden Gründen immer noch eine prima Idee” hätte ich jetzt nicht für eine passende Antwort gehalten, aber wäre immer noch deutlichst besser als das, was statt dessen passiert ist.
3.) Das Ergebnis dieser Aktion ist
– eine Abwanderung von vielen vormals sehr engagierten Piraten
– tiefe innerparteiliche Gräben quasi zum Wahlkampfauftakt der Europawahl
– eine paar neue Rekorde im Niveau-Limbo
– eine maximal beschädigte Listenkandidatin
– eine Piratenpartei, die auch schon für Wähler weit links der politischen Mitte nicht mehr in Frage kommt
– und nicht zuletzt eine Pressesprecherin, die demnächst gekündigt werden muss, weil sie von der Presse nicht mehr ernst genommen wird – weil sie gerade in Nibelungentreue die Linie des BuVos nach außen vertritt.
An diesem Ergebnis muss sich diese Aktion (und ein paar begleitende Tweets) messen lassen.
(Der Vollständigkeit halber der einzige Pluspunkt: Durch diese Aktion sind die Liberalen und die gemäßigten Linken inzwischen aufgewacht. Aber für was für einen Preis…)
4.) Und der LaVo Berlin erreicht heute abend den nächsten Absurditätslevel und fährt in dieser Situation einen Frontalangriff auf den politischen Gegener, hier die CDU. Okay, eine “bewährte Politik 1.0-Taktik”. Aber “Politik 1.0” ist doch nicht das, wofür die Piratenpartei angetreten ist. Und ist hier in etwa so erfolgversprechend, als wenn ein Husaren-Regiment eine Panzer-Division angreift.
Aber ok, neuer Benchmark – mal sehen, wem es gelingt, das zu toppen…
Lieber Fabio & TischModerator,
eine der großen Rätsel, über die ich täglich nachdenke ist: “..würde mich selbst nicht als Praktikant anstellen” (oder so ähnlich).
Den Text habe ich zu lesen versucht – mehrfach.
Bis ich mir den SATZBAU ansah – die KETTENSÄTZE würden in der MittelStufe angestrichen.
Bitte EDITIEREN:
Geistigen Anspruch halbieren und Text vierteln!
So ungefähr 😉 😀 #wundervolle Woche mit WahrnehmungsWärme
Ich liebe es, wenn einem Menschen das Schreiben ersparen. In diesem Falle … 1000 Dank an Michael Ebner und ein dickes +1.
LG Emilio
Das die Aktion an sich das grosse Problem war glaube ich gar nicht. Der Umgang danach hat das überhaupt erst so hochkochen lassen. Das Abfeiern der Aktion auf Twitter, ausserhalb der Antifa-Filter-Bubble und der zu provozierenden Neonazis, mehr oder weniger öffentlich. Und dann dazu noch die Twitterdemo mit noch blöderen Sprüchen wie Kartoffelbrei – Feuer frei. Erst da ist das hochgekocht. Aber auch da hätte man es noch einfach beenden können mit einem klaren Statement. Entweder “Ich war es nicht und ich verklage die Presse die das behauptet” oder “Ja, ich war es, es war eine etwas unglückliche Situation und ich ziehe meine Kandidatur für die EU-Liste zurück”. So wie man das halt von Politiikern erwartet wenn sie dabei erwischt wurden Mist zu bauen.
Das ganze wäre sofort erledigt gewesen.
Stattdessen dann auch noch jetzt ein Statement a la “Die wird bedroht und da redet man nicht über Fehler sondern bedingungslose Solidarität und sowieso ist die CDU an allem Schuld”.
Was den Richtungsstreit angeht war das auch nicht das Ausschlaggebende. Es war der Tropfen der das Fass für viele zum überlaufen brachte, die rote Linie wie Andi Popp es auch in dem Podcast anmerkt. Und dieser Richtungsstreit geht auch nicht um links oder rechts. Links sind alle die sich mit dem Parteiprogramm identifzieren können. Es geht um “Mit Nazis redet man nicht und trinkt auch kein Bier mit denen und alle die nicht so Links sind wie ich sind Nazis” vs “Alle Menschen sind Menschen wie bescheuert ihre Meinung auch sein mag und ich will nicht alle in meiner Partei haben und eine linke Politik aber rede mit anderen und lasse selbst den grössten Idioten das Recht zu sagen was auch immer sie sagen wollen”
Linksliberal vs. linksautoritär um es auf Schlagworte und Schubladen zu reduzieren.
@Michael Ebner:
“Nicht gut gemacht” (und das ist noch sehr freundlich geschrieben) ist wohl eher die Aufhetzung eines geifernden Mobs, der sich direkt gegen einen Menschen richtet und diesen zur Zielscheibe von >9.000 aggressiven Idioten macht.
Aber damit haben die ganzen Kritiker natürlich nichts zu tun, gell?
Mich schmerzt es zu sehen, wie gegen unsere Europakandidatin, die seit Jahren erfolgreich Kommunalpolitik betreibt, Tausende von Menschen auf übelste Weise hetzen und dabei auf ihrem Rücken ein Richtungsstreit ausgetragen wird, für den sie selbst kaum mehr als ein Zündfunke war.
War es jetzt also doch Frau Helm?
Falls nicht, wäre sie ja auch kein Zündfunke gewesen, oder?
Einen nicht ganz unwichtigen Punkt hat Michael Ebner unter 3.) noch vergessen: großer Schaden für das Bündnis “Dresden Nazifrei!” durch die narzisstische Femen-Einbettung der Aktion und das damit verbundene Aufbrechen alter Konfliklinien (Antiimp vs Andideu). Anne und Deborah haben damit mehr kaputt gemacht als ihnen vermutlich lieb war.
Wenn ich mein Auto verkaufen will, verkaufe ich auch das Design.
Darum.
Es ist schwierig, solch einen Text von jmd zu lesen, der veröffentlicht, einmal im Sozialwissenschaftlichen Bereich studiert zu haben (von Qualifikationen habe ich jetzt noch nichts gelesen).
Ich lese den pseudowissenschaftlichen mit Anglizismen gespiten Beitrag so, als dass Du die Ereignisse in einer Form der Autopoiesis andernorts “verrahmt” verortest und damit Deine persönliche Sicht auf die Dinge in die Nähe des Objektiven erhöhst. Das ist eine Form der Arroganz.
Dem Anspruch auf Egalität und Meinungsfreiheit, den ich bei den Piraten wähnte, bevor Du zu uns nach NDS kamst, wird das nicht gerecht. Ich lese das dann im Kontext des hochnotpeinlichen Videos auf Youtube, in dem Du und Dein Fraktionskollege sinnfrei kommunistische Verse zum Besten gibst – abgelesen auf Mobilelektronikgeräten, an denen chinesiche Kinder mit produziert haben. Du bist kein Vorbild für zeitgenössische politische Kultur. Du bist nicht in der Lage, “Begriffe” zu klären. Du bist nicht bereit, auf anders denkende zuzugehen.
Piraten mit anderer Meinung sind für Dich außerhalb des Rahmens, im Abseits und es nicht wert, ihnen Anerkennung zu zollen. Das ist in der Tat sehr traurig. Warum hörst Du nicht auf? Brauchst Du das Abgeordnetensalär?
Eine Replik: Dresden Massenmord?
http://namuench.wordpress.com/2014/02/25/dresden-massenmord/
Letztlich malt Frau Helm – wenn auch vermutlich ungewollt – ein Szenario, in dem die armen braven Deutschen durch die Siegermächte von den bösen Nazis befreit wurden, wofür die Enkelin sich jetzt aus vollem Herzen bedanken kann. In beeindruckender Hybris stellt sie sich nicht als Nachkomme aus dem Tätervolk dar, deren Vorfahren – ob persönlich verstrickt oder nicht – wahrscheinlich nur mit Glück nicht durch Bomben starben und somit noch Nachkommen zeugen konnten (wenn sie nicht zufällig Exilanten oder im KZ-inhaftierte Widerstandskämpfer waren).
Zu einer sinnvollen Auseinandersetzung mit (Neo-)Nazismus gehört für mich unbedingt auch die Reflexion eigener familiärer und nationaler Geschichte, ebenso wie die Auseinandersetzung mit eigenen autortären, rassistischen, usw. Anteilen.
Konstruktive anti-nazistische Arbeit besteht sicher nicht darin, platte rechte Parolen ähnlich platt zu erwidern (auch wenn man es denn “reframing” nennt), sondern Differenzierung ohne Relativierung zu erarbeiten.
Statt dumpf so zu tun, als ob alles was die Aliierten taten, ausnahmslos gut und edel gewesen wäre, gilt es auszuhalten, dass dies – wie in so ziemlich allen Kriegen- nicht so war und dafür Sorge zu tragen, dass diese Tatsache nicht für Aufrechnung und Relativierung missbraucht wird.
Aber es ist natürlich einfacher, sich gar nicht mit dem Thema deutscher Kriegsopfer zu beschäftigen und es damit komplett den Neonazis zu überlassen. Sollen doch all die noch lebenden deutschen Kriegskinder mitsamt ihrer Trauer und Traumata ihre Schnauze halten oder zu den Rechten gehen, denn ihr Leiden hat in unserem schlichten Weltbild keinen Platz…
ps: bitte in meinem text dem Begriff “Kriegskinder” das Wort “deutsche” hinzufügen. danke
Hab ich gemacht.
PS2: Ups, glaube ich habe mich im Eifer des Gefechts mit dem Namen vertan, öhm, wenn Du das bitte noch korrigieren könntest… das war´s dann aber – ehrlich!
“Framing ergibt sich aus dem Umständen – es kann aber auch maßgeblich von Einzelnen beeinflusst werden. Von einer überzeugenden, eloquenten Persönlichkeit, die durch inhaltlich gute Beiträge eine Debatte so prägt, dass man sich am Ende auf ihre Position einigt. Über einen sehr dominanten Redner, der lauter und öfter redet als die anderen”
Unter diesem Aspekt erfüllt der Blogeintrag von Fabio einige Framingkriterien.
Den der “neue” Rahmen wird schon ziemlich am Anfang gezimmert, wenn Fabio schreibt:
“Was hat der Femen-Antifa-Antideutschen-Dresden-Mashup mit der Links-Rechts-Debatte in der Piratenpartei zu tun? Inhaltlich eigentlich nicht viel.”
Derailing, derailing, derailing. So gewinnt man kein Vertrauen zurück. Und beim Wähler, der zwischenzeitlich bei der Piratenpartei gemachte Kreuze in Teilen offen bereut bleibt nur eins: Der Schmerz, solche Blogeinträge wie diesen hier immer noch von Mandatsträgern der Piratenpartei lesen zu müssen.